Fakt oder Fake? Altern im Zeitalter von „Fake News“

 zusammengefasst von Sofia-Marie Oehlke

 

Immer mehr Menschen informieren und vernetzen sich in sozialen Medien wie Twitter, Facebook oder Instagram. Dabei teilen Nutzer*innen täglich zahlreiche neue Beiträge, Artikel und Videos. Diese digitale Informationsflut birgt die Gefahr, falsche von wahren Meldungen nicht mehr ausreichend unterscheiden zu können. Dadurch werden sogenannte „Fake News“ mit nur wenigen Klicks an sehr viele Menschen verbreitet. „Fake News“ beschreiben Falschmeldungen, welche mit manipulativer Absicht in Medien, im Internet und besonders in sozialen Medien verbreitet werden. Erste Schätzungen gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2022 mehr Falsch- als Wahrmeldungen existieren. Zurecht stellt sich die Frage, was mit einer Gesellschaft passiert, wenn die Grenze zwischen gefälschten und echten Fakten verschwimmt.

Obwohl alle Altersgruppen von „Fake News“ betroffen sind, weisen aktuelle Studien darauf hin, dass sie besonders von älteren Menschen vermehrt verbreitet werden. Zum Beispiel teilen US-amerikanische Erwachsene über 65 Jahre 7-mal häufiger Artikel mit falschen Informationen als jüngere Erwachsene. Überraschend: Wenn man Nutzer*innen von sozialen Netzwerken fragt, ob sie aktiv falsche Beiträge teilen würden, nimmt die Bereitschaft mit zunehmendem Alter ab. Das wirft die Frage auf, welche Faktoren eine erhöhte Anfälligkeit älterer Erwachsener für „Fake News“ begünstigen. Genau damit haben sich die Forscher*innen Nadia Brashier und Daniel Schacter der Harvard University näher beschäftigt und fassen mögliche Erklärungen, basierend auf aktuellen Forschungsergebnissen, zusammen.

Die Autor*innen gehen davon aus, dass ältere Menschen aufgrund ihres ausgeprägten Allgemeinwissens eigentlich in der Lage sind, wahre von falschen Aussagen zu unterscheiden. Außerdem helfen Faktenchecker, wie Snopes oder Politifact, Falschmeldungen als diese zu kennzeichnen. Problematisch ist, dass sich „Fake News“ häufig wie ein Lauffeuer verbreiten und millionenfach angeklickt, gelesen und geteilt werden. Ältere Menschen tendieren dazu, die Quelle gelesener Informationen zu vergessen und verlassen sich eher auf die wahrgenommene Häufigkeit von Meldungen. Dadurch könnten relevante Details zur Beurteilung des Wahrheitsgehalts verblassen und „Fake News“ fälschlicherweise als wahr beurteilt werden. Umgekehrt zeigen neue Studien, dass ohne extensive Wiederholungen von Nachrichten, und bei Themen zu denen bereits Wissen besteht, Ältere im Erkennen von Falschmeldungen sogar besser abschneiden als Jüngere.

Dennoch, ältere Menschen sind eher Neulinge im Internet und auch digital geübte Erwachsene haben Schwierigkeiten, verlässliche Nachrichtenquellen zu erkennen. Besonders tückisch sind Falschmeldungen in Kombination mit manipulierten Bildern. Sie erhöhen die Bereitschaft, die Informationen auf sozialen Medien zu teilen. Bei der Betrachtung von veränderten Bildern übersehen ältere Erwachsene eher hinzugefügte oder entfernte Objekte, verzerrte Winkel oder inkonsistente Schatten. Das spricht dafür, dass die Fähigkeit, echte von gefälschten Fotos zu unterscheiden, mit dem Alter abnimmt.

Frühere Studien zeigen, dass ältere Erwachsene zudem Schwierigkeiten haben, Täuschungen zu erkennen. In mehreren Experimenten sahen sich jüngere und ältere Teilnehmende Filmmaterial von Personen an, die ihre Meinung korrekt wiedergaben oder aktiv logen. Nach jedem Video beurteilten die Teilnehmenden, ob die Zielperson die Wahrheit gesagt oder gelogen hatte. Im Vergleich zu jüngeren konnten ältere Erwachsene Wahrheiten weniger gut von Lügen unterscheiden. Außerdem deuten neue Forschungsergebnisse darauf hin, dass ältere Menschen anderen Personen tendenziell eher vertrauen als misstrauen. Brashier und Schacter argumentieren, dass diese Eigenschaften dazu führen, dass ältere Menschen Inhalte, welche von Freund*innen und Bekannten in sozialen Netzwerken geteilt werden, als wahr beurteilen.

Zusammenfassend gibt es also mehrere Faktoren, die dazu beitragen, dass ältere Erwachsene vergleichsweise anfälliger für „Fake News“ sind: sie schenken der Quelle der Nachricht weniger Aufmerksamkeit, sie können manipulierte Bilder und sichtbare Lügen schlechter erkennen und sie sind generell weniger misstrauisch Anderen gegenüber als jüngere Erwachsene.

Die Psychologie kann uns helfen, die aktuelle Informationskrise besser zu verstehen. Doch um die Gefahr, die von „Fake News“ ausgeht, abzuwenden und wahre Fakten zu schützen, braucht es dringend funktionierende Strategien und Interventionen. Die Forscher*innen fordern, dass sich diese an das Denken, das sozialen Verhalten und die digitale Kompetenz älterer Menschen anpassen.

 

Brashier, N. M., & Schacter, D. L. (2020). Aging in an Era of Fake News. Current Directions in Psychological Science29(3), 316–323. doi.org/10.1177/0963721420915872

 Podcast: Fakt oder Fake? Altern im Zeitalter von "Fake News"


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