Ältere Menschen geben Halt und Stärke in der COVID-19-Pandemie

zusammengefasst von Alexa Müllner-Huber

 

Während der COVID-19-Pandemie der letzten drei Jahre waren ältere Menschen Teil der sogenannten „vulnerablen Gruppen“, die besonders geschützt wurden. Dieser Schutz war wichtig, führte aber auch dazu, dass ältere Menschen im Fernsehen, im Radio und in Zeitungen regelmäßig als „vulnerabel“ bezeichnet wurden – eine einseitige Beschreibung, die nur körperliche Aspekte berücksichtigt. Die Pandemie hat sich aber nicht nur auf unseren Körper, sondern auch auf unsere Psyche ausgewirkt, und viele Menschen litten unter Angst, Frustration, Isolation und gesellschaftlicher Spaltung. Im heutigen Beitrag wollen wir daher eine Arbeit vorstellen, die sich damit beschäftigt, welche Stärken ältere Menschen in der Pandemie gezeigt haben.

Majse Lind und ihre Kolleg*innen von den Universitäten von Florida und Evanston in den USA haben sich die Frage gestellt, welche psychologischen Stärken ältere Menschen aufgrund ihrer Lebenserfahrung haben. Außerdem wollten sie herausfinden, inwiefern diese Stärken während der Pandemie hilfreich waren. Um diese Fragen zu beantworten, haben die Autor*innen die Ergebnisse mehrerer bereits vorhandener Arbeiten zusammengefasst, bei denen Menschen gebeten wurden, die eigene Lebensgeschichte zu erzählen. Dabei darf man natürlich nicht vergessen, dass jeder Mensch anders ist und eine ganz individuelle Lebensgeschichte hat. Diese Arbeit konzentriert sich jedoch auf allgemeine Entwicklungen, die sich oft mit dem Älterwerden zeigen.

Die Autor*innen beschreiben dabei drei wichtige Stärken, die viele Menschen erst im Laufe ihres Lebens entwickeln:

Erstens: Ältere Menschen können aktuelle Krisen besser einordnen und dabei eine positive Sicht auf die Zukunft bewahren. Während der COVID-19-Pandemie litten viele Menschen unter Gefühlen von Angst, Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit. Viele ältere Menschen haben in ihrem Leben aber schon Schlimmeres erlebt – etwa persönliche Krisen und Schicksalsschläge. Auch haben sie schwierige geschichtliche Epochen durchlebt. Dadurch haben sie gelernt, dass sie Herausforderungen meistern können, und dass auch schwierige Erlebnisse eine positive Bedeutung haben können, da wir durch sie lernen und als Mensch wachsen. Aufgrund ihrer Erfahrung haben ältere Menschen die Gewissheit, dass auch die COVID-19-Krise vorbeigehen wird. Gleichzeitig verfügen sie über einen reichen Schatz an schönen Erinnerungen, aus denen sie auch in schwierigen Zeiten Kraft und Freude schöpfen. All das hat vielen älteren Menschen dabei geholfen, in der Pandemie Mut und Zuversicht zu bewahren.

Zweitens: Ältere Menschen wissen besser, wie man sich in einer Krisensituation am besten verhält, da sie Erfahrung mit ähnlichen Situationen haben. Während der COVID-19-Pandemie litten viele Menschen unter dem Gefühl, dass die Welt unkontrollierbar und gefährlich geworden ist. Viele ältere Menschen hatten aber bereits Erfahrung mit Zeiten der Unsicherheit. Je nach Alter haben sie z.B. den abrupten Wandel des gesellschaftlichen Wertesystems nach dem Ende des 2. Weltkriegs miterlebt oder die Angst vor einem Atomkrieg während des Kalten Krieges. Etwas jüngere Generationen haben vielleicht in den Jugoslawienkriegen gekämpft. Auch haben ältere Menschen den Ausbruch der Hongkong-Grippe und das Aufkommen von AIDS miterlebt. All dies sind für ältere Menschen keine trockenen geschichtlichen Daten. Sie waren selbst dabei und haben es hautnah miterlebt. Viele ältere Menschen haben somit bereits Erfahrung mit Situationen, die geprägt sind von Angst vor einer unsichtbaren Gefahr, Frustration über Beschränkungen im öffentlichen Raum, finanzieller Unsicherheit, dem Gefühl von sozialer Isolation, und der Sorge um erkrankte Angehörige. Die Erfahrung, wie man damals solche Situationen bewältigt hat, ist enorm hilfreich für den Umgang mit der COVID-19-Pandemie.

Eine dritte Stärke älterer Menschen ist ihr Bedürfnis, etwas für nachfolgende Generationen tun zu. Man nennt das auch „Generativität“. Die Pandemie hat bei vielen Menschen Existenzängste ausgelöst – sowohl in Bezug auf ihre Gesundheit als auch, was ihre finanzielle Situation betrifft. Ältere Menschen haben hier einen Vorteil, da sie sich schon vor der Pandemie mit der Endlichkeit der eigenen Person auseinandergesetzt haben. Oft haben sie einen weiteren Blickwinkel entwickelt, der über das eigene Leben hinausgeht. Dadurch können sie gerade in unsicheren Zeiten Lebenssinn und Glück daraus schöpfen, dass sie nachfolgenden Generationen helfen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass viele ältere Menschen durch ihre Erfahrung mit der Bewältigung von Krisen wichtige psychologische Stärken entwickelt haben. Sie behalten in einer Krise die Zuversicht, wissen aus Erfahrung, wie sie mit der Situation umgehen sollen, und sie schöpfen Sinn und Zufriedenheit aus ihrem Fokus auf das Wohl nachfolgender Generationen. Ältere Menschen können dadurch der Gesellschaft Halt und Stärke geben, um gut durch Krisen zu kommen.

 

Lind, M., Bluck, S., & McAdams, D. P. (2021). More vulnerable? The life story approach highlights older people’s potential for strength during the pandemic. The Journals of Gerontology: Series B: Psychological Sciences and Social Sciences, 76(2), e45–e48. doi.org/10.1093/geronb/gbaa105

 Podcast: Ältere Menschen geben Halt und Stärke in der COVID-19-Pandemie


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