Angst, Depression und das Erleben des eigenen Älterwerdens

zusammengefasst von Fiona Rupprecht

 

Wie erleben Sie Ihr Älterwerden? Haben Sie das Gefühl, dass alles nur bergab geht? Oder ist vieles mit dem Alter besser geworden? Die meisten Menschen erleben von beidem ein bisschen, also Verluste und Gewinne. Zum Beispiel könnten Sie das Gefühl haben, dass Sie im Alltag vergesslicher werden. Gleichzeitig können Sie aber vielleicht immer besser einschätzen, was Ihnen im Leben wirklich wichtig ist. Dieses Bewusstsein für Gewinne und Verluste ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Manche Menschen sehen vor allem das Negative, das, was schlechter wird und was sie verlieren. Andere dagegen konzentrieren sich auf das Positive, die Gewinne und all das, was besser geworden ist, seit sie jung waren.

In der Arbeit, die wir heute vorstellen, geht es darum, ob Menschen, die viele Verluste und wenig Gewinne sehen, eher depressiv und ängstlich werden. Gemeinsam mit Serena Sabatini und einem Forschungsteam aus Großbritannien haben wir hierfür Daten aus der britischen PROTECT-Studie untersucht. Diese Daten stammen von über 3000 Brit*innen, die über 50 Jahre alt sind und einmal 2019 und das zweite Mal 2020 zu ihrem Älterwerden befragt worden sind.

Unsere Auswertungen zeigen, dass Personen, die mehr Verluste in ihrem Älterwerden wahrgenommen haben, im nächsten Jahr depressiver und ängstlicher geworden sind. Das heißt noch nicht automatisch, dass diese Personen eine ernstzunehmende Depression oder Angststörung entwickelt haben. Aber es heißt doch, dass sie stärkere Anzeichen für eine Depression zeigten und in dem einen Jahr lustloser wurden, weniger Appetit und Interesse hatten und sich hoffnungsloser fühlten. Auch die Anzeichen für eine Angststörung, also etwa, sich viele Sorgen zu machen, schwer zur Ruhe zu kommen und sich nervös zu fühlen, nahmen zu. Ganz besonders war das der Fall für Personen, die zum Grübeln neigen. Wenn eine Person also sehr viele Verluste und Negatives wahrnimmt am Älterwerden und nicht aufhören kann, darüber nachzudenken und nachzugrübeln, dann nahmen Depressivität und Angst besonders stark zu.

Personen, die viele Verluste sehen und das Gefühl haben, dass mit dem Älterwerden alles bergab geht, haben also ein höheres Risiko, eine Depression oder Angststörung zu entwickeln. Für Sie oder ältere Menschen in Ihrem Umfeld bedeutet das also: Achten Sie nicht nur auf das, was negativ ist oder schlechter wird mit dem Alter, sondern auch auf das Gute und Positive. Sicher ist auch einiges besser geworden, seit Sie 18 waren. Wenn es aber Negatives gibt, dass sich nicht so einfach übersehen lässt, versuchen Sie, es zu akzeptieren und weiterzumachen, statt darüber nachzugrübeln. Und wichtig: Falls Sie nur noch das Schlechte sehen können, hoffnungslos sind oder starke Angst haben, dann suchen Sie sich professionelle Hilfe und sprechen beispielsweise mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin.

 

Sabatini, S., Dritschel, B., Rupprecht, F. S., Ukoumunne, O. C., Ballard, C., Brooker, H., Corbett, A., & Clare, L. (2023). Rumination moderates the longitudinal associations of awareness of age-related change with depressive and anxiety symptoms. Aging & Mental Health, 27, 1711-1719. https://doi.org/10.1080/13607863.2023.2176820

 Podcast: Angst, Depression und das Erleben des eigenen Älterwerdens


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