Beeinflusst Medienkonsum die Selbstwahrnehmung des Alterns?

zusammengefasst von Tom Bräuninger

 

Täglich 2,5 Stunden fernsehen, 2,5 Stunden Radio hören, zusätzlich ab und an Zeitung lesen und ungefähr ein Buch pro Monat lesen: Laut dem deutschen Alterssurvey wenden ältere Menschen im Durchschnitt einen großen Teil ihrer Zeit für das Konsumieren von Medien auf, insbesondere Fernsehen und Radio hören stechen heraus. Doch welche Konsequenzen hat der Medienkonsum für ältere Menschen? Diese Frage erforschte Jordan Boeder gemeinsam mit einem internationalen Team. Im Speziellen ging es den Forschenden dabei darum, herauszufinden, ob und inwiefern der Medienkonsum die Selbstwahrnehmungen des Alterns beeinflusst. Die Selbstwahrnehmung des Alterns ist ein wichtiges Konzept und steht im Zusammenhang mit vielen Aspekten der psychologischen und physiologischen Gesundheit, beispielsweise ist eine positive Selbstwahrnehmung des Alterns mit einer stark erhöhten Lebenserwartung assoziiert.

Die Forschenden griffen bei ihrer Studie auf die Daten des deutschen Alterssurveys zurück, die für knapp 3000 Studienteilnehmende 2008, 2011, 2014 und 2017 erhoben wurden. 2008 waren die Studienteilnehmenden im Durchschnitt 60 Jahre alt, beim letzten Erhebungszeitpunkt knapp 70. Es zeigte sich, dass sich die Selbstwahrnehmung des Alterns mit zunehmendem Alter leicht veränderte. So nahmen die Teilnehmenden über die Zeit mehr körperliche Verluste und eine geringere persönliche Weiterentwicklung wahr. Die Teilnehmenden assoziierten ihr Älterwerden also zunehmend mit geringerer Belastbarkeit, körperlichen Einbußen, geringerer Lebenskraft und weniger mit dem Lernen neuer Dinge und der Realisierung neuer Ideen.

Im Rahmen der Studie führte häufigeres Fernsehen zu einer negativeren Selbstwahrnehmung des Alterns (stärkere körperliche Verluste und geringere persönliche Weiterentwicklung). Das Lesen von Büchern und Radiohören wirkten dagegen positiv auf die Selbstwahrnehmung des Alterns (geringere körperliche Verluste und stärkere persönliche Weiterentwicklung). Zeitunglesen wirkte lediglich auf die Wahrnehmung stärkerer körperlicher Verluste. Die Forschenden kontrollierten statistisch für einige Variablen wie Einkommen und Gesundheitszustand, um auszuschließen, dass in Wahrheit diese Variablen und nicht der Medienkonsum die Unterschiede in der Alternswahrnehmung erklärten.

Insgesamt zeigte sich, dass Fernsehen mit einer negativen, Radio hören und Bücher lesen mit einer positiven Selbstwahrnehmung des Alterns einhergeht. Doch woran liegt das? Die Forschenden schlagen vor, dass weniger die eigentlichen Inhalte des jeweiligen Mediums einen negativen Einfluss haben, sondern vielmehr altersdiskriminierende oder altersstereotype Werbung. Da altersbezogene Werbung im Fernsehen häufig altersdiskriminierend ist und von Menschen früheren Forschungsergebnissen zufolge auch nach dem Fernsehen erinnert werden kann, finden sich hier die stärksten negativen Effekte. Radiowerbung mit Altersbezug hingegen kann wesentlich schlechter erinnert werden, was erklären könnte, warum Radio hören nur positive Effekte hat. Da Bücher in der Regel keine Werbung beinhalten, überrascht es nicht, dass diese ebenfalls nur positive Einflüsse haben. Frühere Studien haben gezeigt, dass Werbungen in Zeitungen meist nicht altersdiskriminierend sind, was erklären könnte, warum der negative Einfluss vom Zeitung lesen moderater ist als jener des Fernsehens.

Die Forschenden appellieren in ihrer Arbeit an politische Entscheidungsträger*innen, altersdiskriminierende und -stereotype Werbung einzudämmen, um die Gesundheit der Bevölkerung zu fördern. Bis Werbung tatsächlich eines Tages neutraler ist, hilft nur häufiger, statt fernzusehen, Radio zu hören oder Bücher zu lesen oder zumindest vermehrt auf Fernsehsender zu setzen, die weniger Werbung zeigen.

 

Boeder, J., Tse, D. C., Fruiht, V., & Chan, T. (2021). Medium matters: A decade of media consumption predicts positive and negative dimensions of self-perceptions of aging. The Journals of Gerontology: Series B, 76(7), 1360-1366.

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