Die Zuwendung zur nächsten Generation fördert soziales Wohlbefinden: jedoch die Einstellung zum Alter zählt

zusammengefasst von Bettina Maria Fischer

 

Aus der psychologischen Alternsforschung ist bekannt, dass die Erwartungen an das Älterwerden Folgen für das eigene spätere Leben mit sich bringen können. Wer dem Altern mit positiven Vorstellungen entgegensieht, führt häufig ein längeres, gesünderes und zufriedeneres Leben. Auch der soziale Lebensbereich kann profitieren: Weniger Einsamkeit und höhere soziale Aktivität sind die Folge.

Ein anderer Einflussfaktor für soziales und allgemeines Wohlbefinden im Alter ist Generativität. Sie beschreibt das Gefühl, sich um jüngere Generationen zu kümmern und zur Zukunft beizutragen – sei es durch (Groß-)Elternschaft, politisches oder soziales Engagement oder sonstige gesellschaftliche Beiträge, bei denen der eigene Erfahrungsschatz geteilt wird. Weil Generativität Einsamkeit entgegenwirkt, soziale Isolation bei älteren Menschen reduziert und nicht zuletzt die Gesellschaft als Ganzes bereichert, liegt es nahe, sie gezielt zu stärken. Während sich in der Vergangenheit ehrenamtliche Arbeit mit Kontakt zu Jüngeren als erfolgreich erwies, versuchte sich ein Forschungsteam der University of California an einer niederschwelligen Maßnahme, Generativität zu verstärken: Ein Schreibprogramm, das zuhause durchgeführt werden konnte.

Die Forschenden wollten zunächst wissen, ob das regelmäßige Niederschreiben von Lebenserfahrungen und Ratschlägen Generativität erzeugen, und dadurch das soziale Wohlbefinden erhöhen könnte. Außerdem interessierten sie sich dafür, ob die persönlichen Erwartungen an das Altern die Wirkung des Programmes beeinflussen würden. Äquivalent dazu, dass psychologische Interventionen für jene am wirksamsten sind, die motiviert sind und an einen Nutzen glauben, könnten positive Vorstellungen vom Altern die Effekte der Maßnahme begünstigen. Negative Vorstellungen vom Altern könnten sich dagegen im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung durchsetzen und die Wirkung der Maßnahme blockieren.

Untersucht wurden 73 gesunde Frauen zwischen 64 und 77 Jahren, die sich Generativität in ihrem Leben wünschten, aber zum Zeitpunkt der Studie noch nicht erfüllt sahen. Etwa die Hälfte der Frauen nahm an der eigentlichen Intervention teil, indem sie wöchentlich Lebenserfahrungen, Weisheiten und Ratschläge notierte. Antworten auf Fragen wie „Was sind Ihrer Meinung nach einige der wichtigsten Lektionen, die Sie im Laufe Ihres Lebens gelernt haben?“ sollten anschließend in einem Forum für Erwachsene mittleren Alters gesammelt werden. Die andere Hälfte der Teilnehmerinnen schrieb über neutrale Themen, die Generativität nicht verändern sollten, um die tatsächliche Wirkung der Generativitätsmaßnahme überprüfen zu können.

Die Ergebnisse zeigten, dass der sechswöchige Fokus auf Generativität tatsächlich dazu führte, weniger Einsamkeit und eine größere Unterstützung durch das Umfeld zu spüren – jedoch ausschließlich für jene Teilnehmerinnen, die das Altern eher mit psychischer Gesundheit verbanden. Negative Erwartungen hinsichtlich psychischer Gesundheit im Alter verhinderten also die Wirkung des generativen Schreibprogramms. Den Grund dafür sieht das Forschungsteam in Vorurteilen über das Altern. Erwartet eine Person, dass der Alterungsprozess mit schlechterer psychischer Gesundheit einhergeht, kann es sein, dass sie diese Erwartung unbewusst erfüllt, und etwa weniger Einsatz bei der Schreibaufgabe zeigt. Die Vorurteile beeinträchtigen außerdem das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und damit die Überzeugung, generativ handeln zu können.

Obwohl von den Teilnehmerinnern nicht auf die Gesamtheit älterer Menschen geschlossen werden kann, zeigt die Studie auf, wie wichtig eine Mitberücksichtigung der Erwartungen an das Altern ist, wenn das soziale Wohlbefinden systematisch verbessert werden soll – mit ihnen steht und fällt der Nutzen dahin ausgerichteter Programme. Eine Veränderung negativer Altersbilder, so zeigt die Forschung, ist komplex. Umso wichtiger ist eine tiefere Auseinandersetzung mit ihnen auf wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene.

 

Moieni, M., Seeman, T. E., Robles, T. F., Lieberman, M. D., Okimoto, S., Lengacher, C., Irwin, M. R., & Eisenberger, N. I. (2021). Generativity and Social Well-Being in Older Women: Expectations Regarding Aging Matter. The Journals of Gerontology. Series B, Psychological Sciences and Social Sciences, 76(2), 289–294. doi.org/10.1093/geronb/gbaa022

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