Eine kurze Übung für mehr Lebenszufriedenheit im Alter

zusammengefasst von Fabio Selovin

 

Weisheiten aus dem persönlichen Erfahrungsschatz zu teilen, sollten Sie öfters machen. Das legte eine 2019 durchgeführte Studie nahe. Denn das Teilen von Weisheiten ist nicht bloß für die Person, die zuhört, von Vorteil. Auch die Personen, die teilen, werden durch verbesserte körperliche und seelische Gesundheit belohnt. So konnte nachgewiesen werden, dass Personen, die sich gebraucht fühlen und Möglichkeiten haben, ihr Wissen an Jüngere weiterzugeben, gesünder sind und länger leben. Diese Ergebnisse führten dazu, dass die psychologische Forschung ein reges Interesse daran entwickelte, sich mit Möglichkeiten zu beschäftigen, die das Gefühl gebraucht zu werden steigern. Unter anderem erstellten Forscher*innen eine Art Training. Dieses sollte älteren Erwachsenen die Möglichkeit geben, ihre Lebenserfahrung an die jüngere Generation weiterzugeben. Dafür wurden diese gebeten, mehrmals die Woche an einer Übung teilzunehmen. Diese bestand darin, Kinder in der Volksschule zu unterrichten. Als Ergebnis fühlten sich die Teilnehmer*innen glücklicher, gaben an, mehr Sinn im Leben wahrzunehmen und eine bessere körperliche Gesundheit zu haben.

Die berichtete Übung hatte jedoch ihre Einschränkungen. Einerseits war sie mit hohem Zeitaufwand verbunden und andererseits kostete sie einiges an Energie. Dies nahm sich ein Team aus US-amerikanischen Forscher*innen als Ausgangspunkt für ihre Überlegungen. Sie entwickelten eine Übung, die ohne viel Zeit und Kraftaufwand das Gefühl, gebraucht zu werden, steigern kann. Um eine Empfehlung aussprechen zu können, musste festgestellt werden, ob die Übung tatsächlich wirksam ist. Das Ziel war klar: Nur wenn die Übung das körperliche und seelische Wohlbefinden steigern lässt, funktioniert sie tatsächlich.

Insgesamt wurden dafür 73 Frauen im Alter von 60 bis 86 Jahren untersucht. Diese wurden auf zwei Gruppen aufgeteilt. Die erste sollte die geplante Übung durchführen. Diese Übung bestand darin, einmal in der Woche auf folgende Fragen zu antworten: Was sind die wichtigsten Lektionen, die Sie im Laufe Ihres Lebens gelernt haben? Wenn Sie jemand fragt, was Sie im Laufe Ihres Lebens gelernt haben, was würden Sie antworten? Schreiben Sie über jegliche Aspekte Ihres Lebens, bei welchen Sie glauben, dass es wichtig ist, sie zu teilen. Die Antworten der Teilnehmerinnen wurden gesammelt und als Ratgeber für junge Erwachsene veröffentlicht. Während also die erste Gruppe wöchentlich auf die oben erwähnten Fragen antwortete, bekam die zweite Gruppe eine andere Aufgabe. Die Teilnehmerinnen sollten beschreiben, was sie heute gegessen hatten. Damit war die zweite Gruppe die Kontrollgruppe. Der Vergleich zwischen der ersten und der zweiten Gruppe ermöglicht Aussagen über die Wirkung der Übung. Um auch den Effekt auf die körperliche Gesundheit festzustellen, wurde den Teilnehmerinnen zu Beginn der Übungsphase Blut abgenommen. Außerdem füllten sie Fragebögen zu ihrem seelischen Wohlbefinden aus. Nach sechs Wochen des Schreibens wurden die Teilnehmerinnen wieder ins Labor gebeten. Es wurde erneut Blut abgenommen und dieselben Fragebögen vorgelegt wie beim ersten Mal. Nachdem die Auswertung der Daten vollzogen war, konnten einige signifikante Effekte gefunden werden. Mit anderen Worten, die beiden Gruppen unterschieden sich voneinander. Das Ausmaß an Lebensfreude, Lebenssinn und Zufriedenheit im Leben der ersten Gruppe stieg aufgrund der Übung an. Die Übenden fühlten sich also besser, sowohl in körperlicher als auch seelischer Hinsicht. Sie bewegten sich mehr und ihre Sicht aufs Älterwerden verbesserte sich. Ein offensichtlicher Erfolg für die Forscher*innen, sie haben eine einfache Möglichkeit gefunden, gesünder und zufriedener zu leben.

Eine Sache muss jedoch noch erwähnt werden: Die positive Wirkung der Übung hielt nicht lange an. Als Forscher*innen die Personen nach zwei Monaten nochmals untersuchten, war die Wirkung abgeflacht. Die positiven Effekte sind also nur vorhanden, solange geübt wird. Zudem muss festgehalten werden, dass die untersuchten Personen ausschließlich weiblich waren. Es bedarf weiterer Forschung, um mit Sicherheit auch sagen zu können, dass männliche Personen von der Übung profitieren.

Was lernen wir also daraus? Das Gefühl, gebraucht zu werden, und die Möglichkeit, Lebensweisheiten zu teilen, machen zufriedener und körperlich gesünder. Probieren Sie es aus! Versuchen Sie täglich auf oben erwähnte Fragen zu antworten. Es kostet wenig Zeit und ist gemessen an den Vorteilen mit wenig Aufwand verbunden. Alternativen sind jegliche Tätigkeiten, bei denen Sie etwas an andere weitergeben: Ehrenamtliche Tätigkeiten, Engagement im Umweltschutz oder Nachhilfeunterricht können Möglichkeiten sein, Ihre Lebenserfahrungen konstruktiv zu nutzen und ganz nebenbei etwas Gutes für die körperliche und seelische Gesundheit zu tun.

Wenn Sie also das nächste Mal über die Lektionen des Lebens nachdenken, nehmen Sie ein Stück Papier und schreiben Sie sie auf. Vielleicht wird ein kleines Weisheitsbüchlein draus, ein sicherlich überaus hilfreiches und persönliches Geschenk für die nächste Generation.

  

Moieni, M., Irwin, M. R., Seeman, T. E., Robles, T. F., Lieberman, M. D., Breen, E. C., Okimoto, S., Lengacher, C., Arevalo, J., Olmstead, R., Cole, S. W., Eisenberger, N. I. (2020). Feeling needed: Effects of randomized generativity intervention on well-being and inflammation in older woman. Brain, Behavior, and Immunity 84, 97-105. https://doi.org/10.1016/j.bbi.2019.11.014 

 Podcast: Eine kurze Übung für mehr Lebenszufriedenheit im Alter


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