Ich kann mir weniger merken, wenn Du einsam bist

zusammengefasst von Jana Nikitin

 

Einsamkeit erhöht das Risiko eines vorzeitigen Todes um 26 %. In den Industrieländern ist etwa ein Drittel der Menschen von Einsamkeit betroffen, jeder Zwölfte sogar schwer, Tendenz steigend. Einsamkeit betrifft Arme und Reiche, Gebildete und Ungebildete, Frauen und Männer gleichermaßen und macht keinen Unterschied zwischen Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Einsamkeit intensiv erforscht wird. Aus dieser Forschung weiß man, dass Einsamkeit das Risiko von Demenz und Gedächtnisstörungen erhöht, und zwar unabhängig von genetischen Prädispositionen, dem allgemeinen Gesundheitszustand oder auch davon, ob die Person verheiratet ist oder allein lebt.

Einsamkeit ist jedoch kein individuelles Problem. Sie ist ansteckend, vor allem innerhalb eines Paares. Könnte es also sein, dass Paare sich nicht nur gegenseitig mit Einsamkeit "anstecken", sondern auch mit den negativen Folgen für ihr Gedächtnis? Wenn also mein Partner einsam ist, habe ich dann auch mit Gedächtnisproblemen zu kämpfen? Auf den ersten Blick klingt das unmöglich. Aber es gibt gute Gründe, warum das so sein könnte.

Erstens kann Einsamkeit zu negativen Interaktionen innerhalb des Paares führen und Stress verursachen. Stress wiederum verschlechtert das Gedächtnis. Zweitens nimmt die einsame Person möglicherweise wenig an anregenden und sozialen Aktivitäten teil, was auch den Partner von solchen Aktivitäten abhalten könnte. Und schließlich wird Einsamkeit mit gesundheitsschädlichen Verhaltensweisen wie Rauchen oder Alkoholkonsum in Verbindung gebracht. Diese Verhaltensweisen können auch auf den Partner übertragen werden und so dem Gedächtnis schaden.

Wir haben diese Annahmen anhand einer groß angelegten europäischen Studie untersucht, in der seit Jahren Menschen über 50 zu den Themen Altern, Gesundheit und Ruhestand befragt werden. Wir verwendeten Daten zu Einsamkeit und Gedächtnisleistung von fast 25‘000 Paaren aus 28 Ländern. Alle Befragten gaben an, ob sie genügend Gesellschaft hatten oder ob sie sich umgekehrt von anderen ausgeschlossen und isoliert fühlten. Um die Gedächtnisleistung zu messen, mussten sich die Befragten 10 Wörter merken und in 60 Sekunden so viele Tiere wie möglich aufzählen. Die Ergebnisse bestätigten unsere Vermutung: Einsamkeit ging mit schlechteren Leistungen bei den Gedächtnistests einher. Dies war nicht nur bei der Person selbst der Fall, sondern übertrug sich auch auf den Partner. Je einsamer sich also eine Person fühlte, desto schlechter schnitt ihr Partner in den Gedächtnistests ab. Dieser Zusammenhang war zwar relativ gering, aber robust.

Was lernen wir daraus? Wir lernen einmal mehr, wie wichtig positive, unterstützende Beziehungen für unsere geistige Gesundheit sind. Wenn wir also geistig fit bleiben wollen, sollten wir in unsere Beziehungen investieren.

 

Luchetti, M., Ledermann, T., Aschwanden, D., Nikitin, J., O’Súilleabháin, P. S., Stephan, Y., Terracciano, A., & Sutin, A. R. (2022). Actor and partner effect of loneliness on episodic memory and verbal fluency: A dyadic multilevel analysis of romantic couples across 28 countries. The Journals of Gerontology: Series B, 77(12), 2202–2211. doi.org/10.1093/GERONB/GBAC086

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