Jung und energiegeladen, alt und energielos?

zusammengefasst von Lisa Heilig

 

Was denken Sie, wer hat mehr Energie: ältere oder jüngere Erwachsene? Glauben wir der Darstellung Erwachsener in Medien, so ist die Antwort klar: jüngere Erwachsene. Die gängige Auffassung scheint zu sein, dass mit steigendem Alter die zur Verfügung stehende Energie abnimmt. Doch ist dem tatsächlich so? Um dem auf den Grund zu gehen, führten die Forscher*innen Cardini und Freund der Universität Zürich zwei Studien durch.

An der ersten Studie nahmen 276 Erwachsene zwischen 29 und 92 Jahren teil. Die Teilnehmer*innen wurden befragt, wie sie selbst ihre verfügbare Energie für unterschiedliche Aktivitäten einschätzen. Tatsächlich zeigte sich, dass ältere Erwachsene ihre Energie für körperliche Aktivitäten niedriger einschätzen als jüngere Erwachsene - außer, wenn es sich um für sie typische körperlich anspruchsvolle Tätigkeiten handelte. Dieses Ergebnis zeigt, dass ältere Erwachsene ihre Energie in die Ziele und Aktivitäten stecken, die für sie persönlich wichtig sind. In Bezug auf diese wichtigen Ziele bleibt die Energie also erhalten. Des Weiteren berichteten ältere Erwachsene in der Studie von Cardini und Freund sogar von mehr Energie für soziale Aktivitäten als jüngere Erwachsene. Auch dieses Ergebnis passt zu einer vorherrschenden Theorie, der sozioemotionalen Selektivitätstheorie. Diese besagt, dass mit zunehmendem Alter emotionale und soziale Ziele an Bedeutung gewinnen. Erneut zeigt sich also, dass ältere Erwachsene für die Ziele und Aktivitäten, die ihnen wichtig sind, mehr als ausreichend Energie mitbringen. Für die zweite Studie nahmen 147 Teilnehmer*innen zwischen 18 und 86 Jahren an einem anstrengenden Training teil. Dafür mussten sie fünfmal je vier Minuten lang abwechselnd unterschiedliche körperliche Übungen wie etwa Hampelmänner, Planks, Sit-ups und Liegestütze absolvieren. Auf diese Trainingsphase folgte eine 20 Minuten andauernde Erholungsphase, in der die Teilnehmer*innen zu Meditation angeleitet wurden. Alle zwei Minuten wurden die Teilnehmer*innen dazu angehalten, anzugeben, wie erschöpft bzw. erholt sie sich fühlten. Auch hier können die Ergebnisse überraschen: Während ältere Erwachsene anfangs von größerer Erschöpfung berichteten als jüngere Erwachsene, waren ältere und jüngere Erwachsene gegen Ende der Übungen hin in etwa gleich erschöpft.

Die Ergebnisse der beiden Studien zeigen also, dass man sich nicht davor fürchten muss, mit steigendem Alter erschöpfter zu werden - im Gegenteil, für gewisse Bereiche steht einem sogar mehr Energie zur Verfügung als in jüngeren Jahren.

 

Cardini, B. B., & Freund, A. M. (2020). More or less energy with age? A motivational life-span perspective on subjective energy, exhaustion, and opportunity costs. Psychology and Aging, 35(3), 369–384. doi.org/10.1037/pag0000445

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