Jung und ruhelos, alt und fokussiert?

zusammengefasst von Sonja Radjenovic

 

Menschen besitzen eine natürliche Tendenz, im Alltag mit ihren Gedanken zu wandern, also ihre Aufmerksamkeit von der aktuellen Aufgabe oder der aktuellen Umgebung auf selbsterzeugte Gedankeninhalte zu verlagern. Gedankenwandern hat zwar einige Vorteile (z. B. Kreativität oder Problemlösung), aber auch wichtige Nachteile (z. B. schlechtere Aufmerksamkeit). Diese Nachteile könnten bei älteren Menschen zu gefährlichen Situationen führen, wie zum Beispiel einem erhöhten Sturzrisiko.

Daher untersuchte das 'Dockree Lab'-Team von Trinity College Institut für Neurowissenschaften in Zusammenarbeit mit Prof. Alan Smeaton von der Dublin City University, ob sich die Art und Häufigkeit von Gedankenwanderungen mit dem Alter verändern, und was zum beabsichtigten (z. B. Planen der To-Do-Liste während einer Autofahrt) und unbeabsichtigten (z. B. Abdriften beim Lesen) Gedankenwandern führt. Sie verwendeten eine Reihe Tests, Fragebögen und Aufgaben zur Messung der Aufmerksamkeit.

Die Ergebnisse der Studie bestätigten die bisherigen Forschungsergebnisse zum Thema, und zwar, dass ältere im Vergleich zu jüngeren Menschen eine geringere Tendenz haben, sowohl beabsichtigt als auch unbeabsichtigt ihre Gedanken wandern zu lassen. Insgesamt gaben ältere Erwachsene bei 27% der Aufgaben an, ihre Gedanken wandern zu lassen, während es bei jüngeren Erwachsenen in 45% der Zeit der Fall war.

Obwohl jüngere und ältere Erwachsene eine ähnliche Leistung in den Aufmerksamkeitsaufgaben aufwiesen, zeigten ältere Erwachsene stabileres, unverändertes Verhalten, was auf einen insgesamt besseren Fokus hinweist. Zusätzlich beobachteten die Forscher*innen einen Zusammenhang zwischen beabsichtigtem Gedankenwandern und vermehrten Fehlern in den Aufgaben, insbesondere bei jungen Menschen, die in ihrer Herangehensweise ruheloser waren.

Im Alltag berichteten ältere Erwachsene trotz schlechterer Leistung bei kognitiven Tests weniger Angst- und Depressionszustände, weniger subjektive Aufmerksamkeitsschwierigkeiten und eine größere aufgabenbezogene Motivation als jüngere Erwachsene. Die Forscher*innen vermuten, dass dies ein Merkmal erfolgreichen Alterns ist, da sich ältere Erwachsene auf die Aufgabe konzentrieren, um die Nachteile, die durch das Gedankenwandern entstehen können, zu minimieren.

Die Ergebnisse der Studie legen also nahe, dass ältere Erwachsene fokussierter, weniger ängstlich und weniger mental unruhig sein können als jüngere Erwachsene. Wichtig ist, dass ältere Erwachsene die negativen Aspekte des kognitiven Rückgangs zu mildern scheinen, indem sie die Motivation steigern und effizientere Strategien anwenden, um den wandernden Geist zu bremsen, wenn Konzentration erforderlich ist.

Die Erforschung der Aufmerksamkeit ist für das Verständnis der natürlichen Alterungsprozesse im Gehirn von entscheidender Bedeutung und kann dazu beitragen, zukünftige Interventionen zur Förderung eines gesunden Alterns zu verbessern. Damit das Gedankenwandern seine positiven Aspekte behalten kann, in brenzligen Situationen aber die volle Aufmerksamkeit mobilisiert wird.

 

Moran, C. N., McGovern, D. P., Warren, G., Grálaigh, R. Ó., Kenney, J. P., Smeaton, A., & Dockree, P. M. (2021). Young and restless, old and focused: Age-differences in mind-wandering frequency and phenomenology. Psychology and Aging36(2), 252.

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