Länger gesund durch Wohnen im Grünen?

zusammengefasst von Tina Zander

 

Wie gut wir im Alltag zurechtkommen wird unter anderem durch unsere körperliche Fitness bestimmt. Mit steigendem Alter wird das meist noch relevanter. Ausreichend Bewegung an der frischen Luft ist bekanntermaßen eine der besten Möglichkeiten, um die körperliche Fitness lange zu erhalten. Gerade in Städten kann das aber zum Problem werden. Luftverschmutzung, Lärm und Betonlandschaften erschweren den Zugang zu gesunder Bewegung in der Stadt. Da gleichzeitig etwas mehr als die Hälfte aller Menschen in Städten lebt, ist die gesundheitsfördernde Gestaltung dieser Lebensräume besonders wichtig. 

Es ist kein Zufall, dass mit dem Wachstum der Städte gleichzeitig ein Rückbezug zur Natur stattgefunden hat. Auch wenn die Stadt viele Möglichkeiten für Karriere und Sozialleben bietet, gehen wir doch immer wieder in die Natur, um Ruhe zu finden. Wer keinen Wald in der Nähe hat, sucht vielleicht instinktiv die einzelnen Bäume im Stadtbild oder kann kurz abschalten beim Vögelbeobachten im Park. In der Stadt bezeichnen wir diese natürlichen Umgebungen als Grünflächen (z. B. Parks, Gärten oder Friedhöfe) und Blauflächen (z. B. Flüsse, Seen oder Küstengebiete). Viele Studien konnten die gesundheitsfördernde Wirkung von natürlichen Umgebungen - am Land und in der Stadt - bestätigen. Dazu zählen eine bessere geistige und körperliche Gesundheit, ein größeres allgemeines Wohlbefinden und eine geringere Sterblichkeit. Unser gesamtes Nervensystem scheint sich zu beruhigen, wenn wir in der Natur sind, das Herz schlägt langsamer, die Atmung wird tiefer. Diese Effekte zeigen sich sowohl bei passiven Aufenthalten in der Natur als auch bei aktiven Tätigkeiten wie Sport oder Gartenarbeiten. Verschiedene Faktoren sollen für den positiven Einfluss der Natur verantwortlich sein, zum Beispiel mehr körperliche Aktivität, positive Begegnungen mit Menschen, weniger Stress, weniger Luftverschmutzung und weniger Lärm oder auch das Gefühl, Teil eines großen Ganzen zu sein.

Um den Einfluss der Natur speziell auf den körperlichen Alterungsprozess zu prüfen, hat ein Forschungsteam um Carmen de Keijzer ein Studiendesign entwickelt, mit dem körperliche Fähigkeiten von Personen im Alter von 50 bis 74 Jahren verglichen wurden. Das Forschungsteam hat hierfür bereits vorhandene Daten der britischen Whitehall II Studie (auch Stress- und Gesundheitsstudie genannt) verwendet. Diese Langzeitstudie wurde 1985 mit mehr als 10.000 Beamt*innen verschiedener Abteilungen aus London begonnen, die in regelmäßigen Abständen zu klinischen Testungen ins Labor kamen. Für die aktuelle Forschungsfrage wurden Daten zu körperlichen Fähigkeiten aus dem Zeitraum 2002 bis 2013 von über 5.000 Personen ausgewertet.  Als körperliche Fähigkeiten wurden die Gehgeschwindigkeit und die Griffstärke der Teilnehmer*innen gemessen. Für den Einfluss der Natur wurde die örtliche Nähe zu natürlicher Umgebung gewählt. Über Satellitenbilder und Geo-Daten wurde geprüft, wie viele Grünflächen im Umkreis von 500 bis 1000 m der Wohnadresse liegen und wie weit die nächsten Grün- und Blauflächen entfernt sind. 

Die Ergebnisse waren bemerkenswert: Der Rückgang der Gehgeschwindigkeit war deutlich langsamer für Teilnehmer*innen mit vielen Grünflächen in der Nachbarschaft. Die Griffstärke war zu Beginn der Messungen stärker für Teilnehmer*innen mit Grünflächen in der Nähe, ihr Rückgang verlief allerdings nicht langsamer. Menschen, die Natur in der Nähe ihrer Wohnung haben, scheinen also länger agil und bei Kräften zu sein.

In dieser Studie zeigten sich vor allem zwei Faktoren als ausschlaggebend für den Zusammenhang zwischen Natur und verbesserter körperlicher Fähigkeit: der vermehrte Kontakt zu anderen Menschen und der positive Einfluss der Natur auf die geistige Gesundheit. Beides fördert maßgeblich das allgemeine Wohlbefinden und damit auch die Pflege der körperlichen Fitness.

Sei es der soziale Kontakt, die Verringerung von Stressfaktoren, die größere körperliche Aktivität oder die Kombination aus allem, in der Natur sein hilft uns dabei, gesund älter zu werden. Speziell in der Stadt lohnt es sich also, die Grün- und Blauflächen, die geboten werden, für Momente der Ruhe genauso wie zur langfristigen Stärkung des eigenen Körpers zu nutzen.

 

de Keijzer, C., Tonne, C., Sabia, S., Basagaña, X., Valentín, A., Singh-Manoux, A., ... & Dadvand, P. (2019). Green and blue spaces and physical functioning in older adults: Longitudinal analyses of the Whitehall II study. Environment international, 122, 346-356. 

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