Rassismus lässt den Körper schneller altern

Rassismus lässt den Körper schneller altern

zusammengefasst von Tina Zander

Unsere Körper wachsen und verändern sich, da sich alle Zellen ständig teilen und dadurch erneuern. Zur Teilung einer Zelle muss zunächst die gesamte Erbinformation, die im Zellkern auf Chromosomen gespeichert ist, verdoppelt werden. Danach schnürt sich die Außenhülle einer Zelle in der Mitte ein und aus einer Mutterzelle werden zwei Tochterzellen. Auf den Enden eines jeden Chromosoms sitzen sogenannte Telomere. Sie dienen als Schutzkappen und verhindern, dass die Chromosomen an den Enden „ausfransen“ - ähnlich wie bei einem Schuhband, an dessen Ende eine kleine Plastikkappe sitzt und das Schuhband zusammenhält. Mit jeder Zellteilung verkürzen sich diese Telomere, bis sie zu kurz sind, um sich nochmal zu teilen. Ist das der Fall, hört die Zelle auf, sich zu erneuern - wir altern.

Studien der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Telomerlänge altersbedingte Krankheiten und sogar die Sterblichkeit vorhersagen kann. Kürzere Telomere stehen in Zusammenhang mit chronischen Krankheiten, Krebserkrankungen und Alzheimer. Forscher*innen haben dabei herausgefunden, dass psychosozialer Stress die Verkürzung der Telomere besonders vorantreiben kann.

Ein hoch belastender Stressfaktor ist erlebter Rassismus. Betroffene Personengruppen werden ein Leben lang auf verschiedenen gesellschaftlichen und strukturellen Ebenen damit konfrontiert und können sich den Übergriffen kaum entziehen. Die Auswirkungen dieser Dauerbelastung sind vielfältig, finden aber in der Diskussion um Veränderungen im Gesundheitssystem noch wenig Platz. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema ist deshalb extrem wichtig.

So geschehen bei der vorliegenden Studie von Lu und Kolleg*innen der Universität Boston. Das Forschungsteam hat untersucht, welche Auswirkungen rassistische Diskriminierung gegenüber afroamerikanischen Frauen in den USA auf die Länge der Telomere hat. Afroamerikanische Frauen haben unabhängig von ihrem Einkommen, die geringste Lebenserwartung, verglichen mit anderen Gruppen in den USA. Die Stichprobe bestand aus 997 Frauen zwischen 40 und 70 Jahren. Die relative Telomerlänge (RTL) wurde über Blutproben bestimmt. Rassistische Erfahrungen wurden über spezielle Fragebögen erhoben, mit 5 Fragen zu Rassismus im Alltag (z.B. „Menschen verhalten sich, als hätten sie Angst vor Ihnen?“) und 3 Fragen zu institutionalisiertem Rassismus (z.B. „Wurden Sie unfair am Arbeitsplatz behandelt?“).

Die Ergebnisse zeigten, dass der Zusammenhang zwischen rassistischen Erfahrungen und der relativen Telomerlänge von den Bewältigungsstrategien der Betroffenen beeinflusst wird. Probandinnen, die mit Bekannten und Angehörigen über ihre rassistischen Erfahrungen gesprochen haben, zeigten keine Auffälligkeiten in der RTL. Dagegen hatten Probandinnen, die mit niemandem über ihre Erfahrungen gesprochen haben, eindeutig kürzere Telomerlängen und damit eine höhere Stressbelastung. Diese Befunde decken sich mit Ergebnissen früherer Studien. Erfährt man emotionale und mentale Unterstützung nach erlebtem Rassismus, kann man das Erlebte offensichtlich besser verarbeiten und einordnen. Ein Großteil der betroffenen Menschen hat allerdings nicht die Möglichkeit, rassistische Erfahrungen entsprechend zu verarbeiten. Sie bleiben sich selbst überlassen. Die Folge ist ein schneller alternder Körper.

Es braucht systemische Veränderungen und ausgiebige Forschung, um den Auswirkungen von Rassismus auf jeder Ebene zu begegnen. In der Zwischenzeit können wir uns nur gegenseitig zuhören, Raum geben und versuchen, ein Stück der Last gemeinsam zu tragen.

Sollten Sie selbst rassistische Übergriffe erlebt haben, stehen Ihnen u.a. folgende Beratungsstellen zur Seite:

Lu, D., Palmer, J. R., Rosenberg, L., Shields, A. E., Orr, E. H., DeVivo, I., & Cozier, Y. C. (2019). Perceived racism in relation to telomere length among African American women in the Black Women's Health Study. Annals of epidemiology, 36, 33-39.