Schützt eine positive Einstellung zum Älterwerden vor Demenz?

zusammengefasst von Christina Ristl

 

Wie denken Sie über das Älterwerden? Eröffnen sich Ihnen mit fortschreitenden Lebensjahren andere, aber doch blühende Pfade, oder überwiegt ein Bild der Talfahrt mit unabwendbaren Verlusten? Wenn wir über das Älterwerden nachdenken, können wir Verluste oder Gewinne wahrnehmen, wobei meist die Vorstellung „Alter gehe mit Verlusten einher“ überwiegt. Doch diese bleibt nicht ohne Wirkung. Die psychologische Forschung hat in zahlreichen Studien gezeigt, dass die Art, wie wir über unser Alter und Älterwerden denken, unsere tatsächliche Entwicklung im Alter beeinflusst.

So wirken negative Altersbilder beispielsweise auf das eigene Gesundheitsverhalten wie auf die körperliche Ertüchtigung oder die Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen, was sich schließlich auch im objektiven Gesundheitszustand widerspiegeln kann. Umgekehrt zeigen Menschen mit einem positiveren Blick auf das eigene Älterwerden bessere Gedächtnisleistungen, altern gesünder und aktiver und erholen sich nach schwerwiegenden Erkrankungen schneller. Die Psychologin Becca Levy, Wissenschaftlerin an der Yale Universität in den USA, hat auf diesen bemerkenswerten Ergebnissen aufgebaut und sich mit Kollegen aus der Wissenschaft die Frage gestellt, ob ein positives Altersbild sogar das Risiko an Demenz zu erkranken mindern kann - auch, wenn ein genetisches Risiko für Demenz bereits besteht.

Diese Frage haben die Forscher*innen anhand einer national repräsentativen Langzeitstudie, die in den Vereinigten Staaten alle zwei Jahre durchgeführt wird, untersucht. An der Studie nahmen 4´765 Personen, die 60 Jahre oder älter waren, teil. Alle Studienteilnehmer*innen waren zu Beginn der Erhebung frei von Demenz und wurden über 4 Jahre hinweg wissenschaftlich begleitet. Im Rahmen der Studie beantworteten die Teilnehmer*innen Fragen zu ihrer Einstellung über das eigene Älterwerden und absolvierten regelmäßig einen Demenztest. Um festzustellen, ob ein erhöhtes genetisches Risiko für Demenz besteht, wurde von den Teilnehmer*innen eine Gen-Probe über den Speichel entnommen und auf das APOE ε4 Gen hin untersucht. Obwohl dieses Gen zu den aussagekräftigsten Risikowerten für Demenz zählt, entwickelt nur die Hälfte der APOE ε4 Gen-Träger*innen tatsächlich eine Demenz im Verlauf ihres Lebens. Es stellt sich also die Frage, warum manche Gen-Träger*innen an Demenz erkranken und andere nicht? Könnte unsere Einstellung zum Altern uns zumindest teilweise vor der Entstehung von Demenz, auch bei genetischer Vorbelastung, schützen?

Die Ergebnisse sprechen dafür. Bei Personen mit einer positiven Einstellung zum Älterwerden entwickelten 2.6% eine Demenzerkrankung innerhalb der Studienzeit, bei Personen mit negativer Alterseinstellung waren es fast doppelt so viele, nämlich 4.6%. Auch bei genetisch vorbelasteten Personen zeigte sich eine positive Alterseinstellung als Schutzfaktor für die Entstehung von Demenz. Mit 2.7% entwickelte die Gruppe der Genträger*innen mit positiver Alterseinstellung gleich häufig eine Demenz wie Personen ohne das Gen. Bei einer negativen Einstellung lag das Demenzrisiko mit 6.1% wie erwartet höher als bei Personen ohne genetische Vorbelastung. Eine positive Einstellung gegenüber dem Altern kann also dazu beitragen, das Risiko für eine Demenzerkrankung zu verringern.

Wie lassen sich diese Ergebnisse erklären? Ein möglicher Grund ist die stressmildernde Wirkung von positiven Alterseinstellungen. Erleben Menschen das Älterwerden als natürlichen Prozess des Lebens, der nach wie vor schöne Momente mit sich bringt und anhaltendes persönliches Wachstum ermöglicht, nehmen sie ihre Umgebung als weniger altersdiskriminierend und vermehrt wohlwollend wahr, was zu einem geringeren Stresserleben führen kann. Im Kontrast dazu interpretieren Personen mit einer negativen Alterseinstellung Situationen eher nachteilig für sich selbst und nehmen Altersdiskriminierung häufiger wahr. Dies kann zu vermehrtem Stresserleben führen und eine Demenzerkrankung begünstigen.

Es kann sich also auszahlen, wenn wir uns mit unseren Einstellungen zum Alter und Älterwerden kritisch auseinandersetzen. Denn oft resultieren unsere negativen Überzeugungen aus stereotypen Vorstellungen, die nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen. Diese über Bord zu werfen, kann nicht nur unser Wohlbefinden, sondern - wie die beschriebene Studie zeigt- auch unsere Gesundheit begünstigen. Stellen Sie sich bei negativen Alterserlebnissen also zweimal die Frage, ob es sich wirklich um eine Alterserscheinung handelt oder nicht doch andere Ursachen für das Erlebnis zugrunde liegen können. Ihr zukünftiges Ich wird Ihnen danken.

 

Levy, B. R., Slade, M. D., Pietrzak, R. H., & Ferrucci, L. (2018). Positive age beliefs protect against dementia even among elders with high-risk gene. PLoS One, 13(2), e0191004.

 Podcast: Schützt eine positive Einstellung zum Älterwerden vor Demenz?


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