Sind ältere Menschen wirklich prosozialer?

zusammengefasst von Lisa Heilig

 

Was denken Sie, wer hilft öfter: junge oder ältere Erwachsene? Bisherigen Studien zufolge dürften Menschen mit höherem Alter mehr prosoziale Handlungen zeigen. Unter Prosozialität versteht man die Bereitschaft, Handlungen auszuführen, die einer anderen Person zugunsten kommen. Studien zu diesem Thema arbeiten oft mit Spenden in Form von Geld. Dabei zeigen Altersvergleiche, dass ältere Erwachsene mehr prosoziales Verhalten zeigen. Für Studien, die mit Geldspenden arbeiten, muss aber berücksichtigt werden, dass ältere Erwachsene oftmals mehr Geld besitzen als jüngere Erwachsene. Auch scheint Geld für ältere Erwachsene weniger Wert zu besitzen als für jüngere Erwachsene. Das kann die Bereitschaft, Geld zu spenden, beeinflussen. Die Forscher*innen Best und Freund beschäftigten sich daher mit der Frage, ob ältere Personen auch dann mehr prosoziales Verhalten zeigten, wenn sie anstelle von Geld etwas aufwenden müssen, von dem sie nicht wesentlich mehr als jüngere Erwachsene besitzen. Dafür führten sie mehrere Studien durch.

In der ersten Studie mussten die Teilnehmer*innen Fragen dazu beantworten, wie sie in erfundenen Situationen handeln würden. An der Studie nahmen 160 Teilnehmer*innen teil, davon die Hälfte bis zu 44 Jahren alt und die Hälfte 45 Jahre oder älter. Anstelle von Geld wurden Dinge gewählt, von denen die älteren Erwachsenen weniger (körperliche Energie, Lebensjahre) als oder gleich viel (soziale Unterstützung) wie jüngere Erwachsene haben. Sie mussten hypothetische Fragen zu diesen Themen beantworten. So sollten sich die Teilnehmer*innen vorstellen, dass es eine Pille gäbe, die zu dem Gefühl führt, voller Energie zu sein. Sie mussten sich dann entscheiden, ob sie, wenn sie 10 Pillen bekommen, 1, 2 oder 4 davon an eine Person weitergeben würden, die als energielos beschrieben wurde. In einem anderen Szenario sollten sie sich vorstellen, dass es ein Programm gäbe, mit dem man die Lebenserwartung erhöhen könne. Einladungen zu diesem Programm würden zufällig und kostenfrei an Personen verteilt. Sie mussten sich nun vorstellen, dass sie eine Einladung erhalten hätten und sie einer anderen Person schenken könnten, die eine geringere Lebenserwartung hat als sie selbst. Dann sollten sie angeben, ob sie das machen würden oder nicht. In einem letzten Szenario sollten sich die Teilnehmer*innen vorstellen, dass es eine Gruppe gäbe, die ihrem wichtigsten Hobby regelmäßig nachkommt. Sie sollten sich dann vorstellen, dass ihr Name auf einer Warteliste für diese Gruppe stünde. Dann sollten sie sich weiter vorstellen, dass ihr Name für eine Einladung zur Gruppe ausgewählt wurde, sie aber die Möglichkeit hätten, einer anderen Person, die schon länger auf der Warteliste steht, ihre Einladung zu schenken. Wieder sollten sie angeben, ob sie sich dafür oder dagegen entscheiden würden. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass es im Alter zuerst zu einer Erhöhung des prosozialen Verhaltens kommt, es in den letzten Stufen des älteren Erwachsenenalters allerdings wieder abnimmt. Dabei zeigte sich mehr prosoziales Verhalten bei älteren Erwachsenen, allerdings nur in bestimmten Bereichen: Insbesondere, wenn die Teilnehmer*innen Energie „abgeben“ und ihre Unterstützung zum Beitritt in die Gruppe anbieten konnten, zeigte sich ein Unterschied.

In einer zweiten Studie, an der 156 Personen im Alter von 18 bis 89 Jahren teilnahmen, wurde überprüft, wie sich Personen in Situationen verhalten, die tatsächliche Auswirkungen haben. Die Teilnehmer*innen saßen dafür an einem Computer in einem Labor. Mittels eines Knopfdrucks konnten sie einen Schweizer Rappen (100 Rappen entsprechen einem Schweizer Franken) für Ärzte ohne Grenzen spenden. Sie konnten bis zu 15 Minuten ihrer Zeit aufwenden, um den Knopf immer wieder zu drücken, durften aber jederzeit die Studie beenden und nachhause gehen oder im Internet surfen. Je länger sie die Aufgabe bearbeiteten, umso mehr Geld wurde also gespendet. Die Aufgabe wurde extra so gestaltet, dass sie möglichst langweilig war. Die Ergebnisse zeigten keine Unterschiede zwischen älteren und jüngeren Erwachsenen. Diese Studie lieferte also Hinweise dafür, dass das Alter im Falle nicht monetärer Spenden nicht mit Prosozialität zusammenhängt.

Eine dritten Studie, an der 342 Personen im Alter von 19 bis 88 Jahren teilnahmen, war ähnlich wie die zweite Studie gestaltet, nur mussten die Teilnehmer*innen ihre Prosozialität dieses Mal außerhalb des Labors unter Beweis stellen. Die Teilnehmer*innen wurden auf der Straße gefragt, ob sie drei Minuten ihrer Zeit für eine Aufgabe, die zu einer Spende an Ärzte ohne Grenzen führte, entbehren würden. Sie bekamen ein Tablet, auf dem sie eine darauf dargestellte Münze von der linken auf die rechte Seite wischen. Am Bildschirm konnten die Teilnehmer*innen sehen, wie viele Rappen sie schon bewegt und dadurch an Ärzte ohne Grenzen gespendet hatten. Auch die Ergebnisse dieser Studie zeigten keine Altersunterschiede in der Bereitschaft, Zeit zu spenden, um einen wohltätigen Zweck zu unterstützen.

Die Ergebnisse der Studie werden positiv gesehen: Erwachsene jeder Altersgruppe zeigen prosoziales Verhalten, wenngleich das Verhalten beeinflusst wird davon, in welchem Bereich es geschehen soll. Dass jüngere Erwachsene laut anderen Studien weniger Geld spenden, wird so interpretiert, dass sie sich nicht weniger um das Wohlergehen anderer sorgen, sondern die Kosten für die Spenden lediglich als zu hoch ansehen. Menschen sind eher bereit, prosozial zu handeln, wenn die damit verbundenen Kosten als gering empfunden werden oder man einen Überschuss dessen, was man dafür aufwenden soll, hat. Handelt es sich um etwas, von dem man im Überfluss hat, dann sind sowohl junge als auch ältere Erwachsene bereit, zu spenden.

 

Best, R., & Freund, A. M. (2021). Beyond money: Nonmonetary prosociality across adulthood. Psychology of Aging, 36(1), 96-107. https://doi.org/10.1037/pag0000548

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