Wer strengt sich für andere an: jüngere oder ältere Menschen?

zusammengefasst von Jana Nikitin

 

Der soziale Zusammenhalt hängt unter anderem davon ab, ob wir bereit sind, anderen zu helfen, auch wenn es uns Geld, Zeit oder Energie kostet. Wie Hilfsbereitschaft in der Kindheit entsteht und wie sie sich in jungen Jahren entwickelt, wird viel erforscht. Weniger ist darüber bekannt, ob sich Hilfsbereitschaft später im Leben verändert. Sind ältere Menschen mehr oder weniger hilfsbereit als jüngere? Das ist eine relevante Frage, denn hilfsbereites Verhalten ist ein sozialer Kit. Wie verhält es sich also mit der Hilfsbereitschaft im Alter?

Einerseits gibt es Hinweise darauf, dass ältere Menschen hilfsbereiter sind als jüngere. Sie sind zum Beispiel eher bereit, für charitative Zwecke zu spenden. Dies könnte allerdings damit zusammenhängen, dass ältere Menschen durchschnittlich mehr Geld zur Verfügung haben als junge und es sie daher weniger „schmerzt“, es für andere auszugeben. Das würde nicht eine grundsätzlich höhere Hilfsbereitschaft im Alter bedeuten. Ältere Menschen könnten theoretisch sogar weniger hilfsbereit sein, vor allem wenn es sie Kraft und Energie kostet. Kraft und Energie sind Ressourcen, mit denen wir allgemein sparsam umgehen, und die im Alter noch etwas überlegter investiert werden.

Deshalb haben Forscher*innen einiger renommierter britischer Universitäten untersucht, inwieweit jüngere und ältere Personen bereit sind, sich für andere körperlich anzustrengen. Die Studie fand im Labor statt und körperliche Anstrengung wurde als Stärke des Handgriffes mit einem Kraftmessgerät erhoben. Für Anstrengung gab es Kreditpunkte, die am Ende in Geld umgewandelt wurden.

Die teilnehmenden Personen wurden in 150 Durchläufen jeweils vor die Entscheidung gestellt, entweder gar keine Anstrengung zu investieren und dafür einen Kreditpunkt zu bekommen; oder aber, sich anzustrengen. Je mehr Anstrengung sie dabei wählten, desto mehr Kreditpunkte konnten sie „verdienen“. Wichtig war, dass in der Hälfte der Durchläufe die gewonnenen Kreditpunkte den Personen selbst gutgeschrieben wurden, in der anderen Hälfte aber einer anderen teilnehmenden Person. Es war also möglich zu untersuchen, wie motiviert die Personen waren, sich für sich selbst und für andere anzustrengen.

Die Ergebnisse zeigten, dass alle Personen – unabhängig vom Alter – mehr Anstrengung wählten, wenn es um ihre eigene Belohnung ging. Dieser Unterschied war aber ausgeprägter bei den jüngeren Personen. Ältere Personen waren eher bereit, sich auch für andere anzustrengen.

Neben der Entscheidung, sich für andere anzustrengen, wurde auch gemessen, wie sehr sich die Personen tatsächlich anstrengten (also wie stark ihr Handgriff war). Auch hier hat sich gezeigt, dass sich jüngere Personen mehr anstrengten, wenn es um ihren eigenen Gewinn ging. Ältere Personen strengten sich dagegen gleich viel für sich selbst und für andere an. Als Konsequenz haben ältere Personen auch vergleichsweise mehr Kreditpunkte für andere gesammelt als jüngere.

Die letzte Frage, die sich die Autor*innen stellten, war nach der Stärke der positiven Gefühle, die der Gewinn auslöste. Dafür wurden die teilnehmenden Personen am Ende des Experimentes befragt, wie positiv sie sich jeweils fühlten, wenn sie die Kreditpunkte gewonnen haben. Es kam heraus, dass sich ältere Personen umso positiver fühlten, je mehr Kreditpunkte sie für andere gewonnen haben, aber nicht, wenn sie Kreditpunkte für sich selbst gewinnen konnten. Junge Personen fühlten sich dagegen immer positiver, egal ob sie Gewinne für sich selbst oder für andere machten. Ältere Personen profitierten also emotional stärker von ihrer Hilfsbereitschaft.

Obwohl diese Erkenntnisse im Labor und anhand eines relativ künstlichen Experimentes gewonnen wurden, so stimmen sie doch mit früheren Befunden über die Hilfsbereitschaft älterer Menschen überein. Sie sind außerdem wichtig, weil sie zeigen, dass sich diese Hilfsbereitschaft nicht nur auf finanzielle Hilfe beschränkt, sondern sich auch in körperlicher Anstrengung niederschlägt.  

Woher kommen diese Altersunterschiede? Eine mögliche Erklärung gründet auf der Theorie, dass ältere Menschen emotional bedeutsame Erlebnisse stärker suchen als jüngere Personen. Die emotionale Belohnung aus hilfsbereitem Verhalten könnte für sie also vergleichsweise wichtiger sein. Möglich wäre auch, dass ältere Menschen weniger selbstfokussiert sind als jüngere Personen, was sich auch mit der Entwicklung des Gehirns deckt: die Dopamin-Übertragung im Gehirn wird mit dem Alter schwächer. Dopamin gilt als selbstbezogenes „Glückshormon“ und geht mit weniger Hilfsbereitschaft einher.

Laut den Autor*innen wäre es aber auch wichtig zu untersuchen, ob die größere Hilfsbereitschaft von älteren Menschen mit einer stärkeren sozialen Einbindung einhergeht. Oder aber, ob sie eher von Menschen ausgeht, die soziale Einbindung suchen. Denn das ist noch völlig offen. So oder so, emotional scheint sich Hilfsbereitschaft für alle Menschen auszuzahlen.

 

Lockwood, P. L., Abdurahman, A., Gabay, A. S., Drew, D., Tamm, M., Husain, M., & Apps, M. A. J. (2021). Aging increases prosocial motivation for effort. Psychological Science, Advance online publication. doi.org/10.1177/0956797620975781

 Podcast: Wer strengt sich für andere an: jüngere oder ältere Menschen?


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