Wie erleben ältere Menschen die Zeit der Pandemie?

zusammengefasst von Sonja Radjenovic

 

Wir leben in einer herausfordernden Zeit. Die COVID-19-Pandemie hat viele Aspekte unseres Lebens verändert: nicht nur unsere Gesundheit, sondern auch unser soziales Leben, unsere Arbeit und Freizeit. Wie gehen Menschen mit dieser Lebensveränderung um? Wirkt sie sich unterschiedlich auf jüngere und ältere Menschen aus?

Frühere Studien zeigen, dass ältere Menschen vergleichsweise besser mit Problemen umgehen. Sie haben über ihr gesamtes Leben Bewältigungsstrategien entwickeln können und sind damit für ungewohnte Situationen besser ausgerüstet. Sie haben bereits vieles erlebt, sodass eine weitere Lebensveränderung kein neuartiges Problem mehr darstellt. Jedoch hat dieser Vorteil der größeren Lebenserfahrung auch Grenzen, wie einige neuere Studien zeigen. Wenn ältere Menschen mit stressigen Situationen konfrontiert werden, die mehrere Lebensbereiche betreffen (wie z.B. Verluste, zwischenmenschliche Probleme und die COVID-19-Pandemie), kann der Schutzfaktor des Alters verschwinden. Daher ist unklar, welche Auswirkungen die Pandemie auf das Wohlbefinden von älteren Menschen haben kann.

Genau das untersuchten Patrick Klaiber und seine Kolleg*innen der Universität von British Columbia. Für ihre Studie befragten sie 776 Erwachsene im Alter von 18 bis 91 Jahren, die in Kanada und den USA lebten. Während einer Woche berichteten die Studienteilnehmenden über ihre Stresserlebnisse, ihre positiven Erlebnisse und ihr Wohlbefinden. Für die Umfrage wurde der Zeitraum von Mitte März bis Mitte April 2020 gewählt, weil er die größte Herausforderung und Unsicherheit während der Pandemie bedeutete.

Die Ergebnisse zeigten, dass Erwachsene mittleren Alters (40 bis 59 Jahre) und ältere Erwachsene (über 60) im Vergleich zu jüngeren Erwachsenen (18 bis 39 Jahre) mehr positive Emotionen und mehr tägliche positive Ereignisse sowie mehr soziale Kontakte erlebten. Diese könnten zu mehr positiven Emotionen beigetragen haben. Jüngere Erwachsene haben zwar am meisten von positiven Ereignissen profitiert, haben aber weniger davon erlebt. Außerdem zeigten jüngere Erwachsene zwar mehr Kontrolle über ihre Situation, aber auch mehr Bedenken hinsichtlich der Bedrohung durch die Pandemie und weniger das Gefühl, ihre Situation bewältigen zu können.

Laut Klaiber und Kolleg*innen können die Unterschiede im Stresserleben so erklärt werden, dass jüngere und ältere Erwachsene unterschiedliche Stresssituationen erleben und darauf auch unterschiedlich reagieren. Junge Erwachsene und Erwachsene im mittleren Alter stehen vor familiären und beruflichen Herausforderungen. Ältere Erwachsene sind zwar stärker durch das tödliche Virus bedroht, können jedoch besser mit Stress umgehen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass in den ersten Wochen der Pandemie ältere Erwachsene ein besseres emotionales Wohlbefinden berichteten und besser auf Stress reagierten. Diese Ergebnisse sollten trotzdem nicht einfach auf alle älteren Menschen generalisiert werden, weil sie nur Durchschnittswerte zeigen. Es gibt trotzdem viele ältere Menschen, die unter der Pandemie leiden und Hilfe benötigen.

Ein weiterer interessanter Befund der Studie ist, dass jüngere Erwachsene vergleichsweise mehr von positiven Ereignissen profitieren. Dies kann als Hinweis für junge Erwachsene dienen, mehr Möglichkeiten für positive Erfahrungen zu schaffen, um die negative Erfahrung der Pandemie zu lindern.

Die Forscher*innen hoffen, dass ihre Ergebnisse dazu beitragen werden, Programme und Strategien zur Stärkung der psychischen Gesundheit von Erwachsenen aller Altersgruppen zu entwickeln.

 

Klaiber, P., Wen, J. H., DeLongis, A., & Sin, N. L. (2021). The ups and downs of daily life during COVID-19: Age differences in affect, stress, and positive events. The Journals of Gerontology: Series B, 76(2), e30-e37. doi: 10.1093/geronb/gbaa096

 Podcast: Wie erleben ältere Menschen die Zeit der Pandemie?


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