Wie man der Angst vor dem Tod einen Riegel vorschiebt

zusammengefasst von Fabio Selovin

 

Menschen haben im Gegensatz zu manch anderen Lebewesen die geistige Fähigkeit, sich ihrer Selbst bewusst zu sein. Sie verstehen sich als ein von anderen Menschen getrenntes Lebewesen, mit eigenen Gedanken und Gefühlen. Sie besitzen die Fähigkeit, die Zukunft zu planen und sich ungünstigen Bedingungen durch Vorsorge entgegenzustellen. Diese Fähigkeit, sich selbst in die Zukunft zu projizieren, hat jedoch ihre Grenzen. Diese Grenzen sind erreicht, wenn wir uns eingestehen müssen, dass eines Tages mit unserem Körper, unseren Gedanken und Gefühlen Schluss ist. Die Unausweichlichkeit des Todes hängt über uns allen und je älter wir werden, desto mehr verändert sich ein Gefühl des Unbehagens zu einer von Grübeln gekennzeichneten Angst. Dies ist jedoch nicht bei allen Personen der Fall. Was beeinflusst also die Angst vor dem Tod und wieso haben manche Personen mehr Angst davor und manche weniger?

Menschen sind sinnsuchende und sinnerzeugende Wesen. Es zeigt sich, dass Menschen, die Sinn in ihrem Leben empfinden, weniger Angst vor dem Ableben haben. Ebenso wie das Empfinden von Sinn im Leben zu einer verringerten Angst vor dem Tod führt, könnte auch ein hoher Selbstwert ein Puffer sein, der Ängste vor dem Ableben mindert. Von Kindesbeinen an sind wir in Kontakt mit anderen Menschen und bekommen Rückmeldung über unser Verhalten von ihnen. Diese Rückmeldungen formen die Vorstellung, die wir von uns selbst haben. Sind sie positiv, können wir uns sicher sein, den Werten unserer Umwelt zu entsprechen, was uns wiederum das Gefühl gibt, selbst ein wertvoller Teil jener Umwelt zu sein. Empfinden wir unser Leben also als sinnvoll, weil wir Ziele haben, ein Gefühl der Kontrolle über unser Leben und den Werten der uns wichtigen sozialen Umgebung entsprechen, steigert dies auch unser Selbstwertgefühl.

Wie stehen Sinnsuche und Selbstwertgefühl zueinander und ist die angstmindernde Wirkung von Sinnempfinden vielleicht durch ein gesteigertes Selbstwertgefühl erklärbar? Diese Fragen nahm sich ein chinesisches Forschungsteam als Ausgangpunkt für seine Studie. Ungefähr 300 ältere Erwachsene im Alter von 65 bis 73 Jahren bekamen einen Fragebogen ausgehändigt. Manche Aussagen im Fragebogen versuchten herauszufinden, inwiefern Personen Sinn in ihrem Leben empfanden oder ob sie beispielweise Ziele hatten, welche sie verfolgten und als wichtig erachteten. Andere Aussagen bezogen sich auf den Selbstwert der Personen, also ob sie beispielweise zufrieden mit ihren Leben und sich selbst waren oder sich als Versager und ihr Leben als einen Misserfolg verstanden. Außerdem wurden 15 weitere Aussagen vorgelegt, welche versuchten, die Angst vor dem Tod zu erfassen.

Die Forscher*innen stellten fest, dass mehr Sinn im Leben mit einer verringerten Angst vor dem Tod in Verbindung stand. Die Kraft des Sinnerlebens bewirkte darüber hinaus ein gesteigertes Selbstwertgefühl und minderte die Angst vor dem Tod. Was bedeutet dies nun? Die Angst vor dem Tod muss nicht sein. Sich der eigenen Werte klar zu werden und sich selbst als wertvolles Individuum in einer sinnvollen Welt zu verstehen, ist ein Puffer für Ängste vor dem Tod. Die Fähigkeit, unser inneres Potential zu entfalten und sich selbst als wertvoll und die eigenen Handlungen als sinnvoll zu erkennen, steckt in jedem von uns. Was ist Ihre Mission im Leben? Was sind Ihre Werte? Wieso sind Ihnen diese Werte wichtig? All dies sind Fragen, deren Beantwortung Ihnen eine Richtung vorgeben kann, um weiter nach Sinn im Leben zu suchen und damit der Angst vor dem Tod einen Riegel vorzuschieben. Vielleicht sind Sie Teil einer wohltätigen Organisation, sind Kämpfer*in gegen den Klimawandel, betreuen Ihre Enkelkinder oder kümmern sich um ein Haustier. All diese Tätigkeiten sind wichtig und können eine Quelle für Sinnempfinden sein. Alles in allem sind dies recht positive Nachrichten. Vielleicht kennen Sie eine Person in Ihrem Bekanntenkreis, welche nicht bereit ist, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Stellen Sie ihm oder ihr diese Fragen. Sie werden nicht nur diesem Menschen weiterhelfen, sondern können damit auch für sich selbst eine weitere Quelle für Sinn und Selbstwert erschließen.

 

Zhang, J., Peng, J., Gao, P., Huang, H., Yunfei, C., Zheng, L., & Miao, D. (2019). Relationship between meaning in life and death anxiety in the elderly: self-esteem as a mediator. BMC Geriatrics, 19, 308. doi.org/10.1186/s12877-019-1316-7

 Podcast: Wie man der Angst vor dem Tod einen Riegel vorschiebt


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