Nutzen ältere Menschen Gedächtnisstützen zu ihrem Vorteil?

zusammengefasst von Bettina Maria Fischer

 

Termine einhalten, regelmäßig Medikamente nehmen, eine Liste von Lebensmitteln besorgen – ein gewöhnlicher Alltag erfordert regelmäßig, sich Pläne zu merken, um sie zu einem späteren Zeitpunkt auszuführen. Verantwortlich für das Erinnern und Ausführen von Plänen ist das sogenannte prospektive Gedächtnis. Um dieses zu entlasten, können Hilfsmittel aus der Umgebung genutzt werden. Terminkalender, Handyalarme und Einkaufslisten kommen hier etwa zum Einsatz.

Langjährige Forschung deutet darauf hin, dass die Leistung des prospektiven Gedächtnisses mit dem Alter nicht unbedingt abnimmt – es herrschen große Unterschiede von Person zu Person. Altersunterschiede machen sich im Schnitt vor allem in Laboruntersuchungen und dann bemerkbar, wenn mehrere Gedächtnisaufgaben gleichzeitig gelöst werden sollen und große Informationsmengen im Gedächtnis zu behalten sind. Gerade wenn die Anforderungen hoch sind, lohnen sich also externe, das heißt in der Umgebung platzierte, Gedächtnisstützen. Aber werden solche Stützen denn auch von jenen benutzt, die am meisten von ihnen profitieren würden?

Ein Forschungsteam des University College London fragte sich ebendies. Es wurde untersucht, ob sich jüngere und ältere Menschen hinsichtlich ihrer prospektiven Gedächtnisleistung unterscheiden, und inwiefern sie sich externer Hilfsmittel zu deren Verbesserung bedienen würden. Zusätzlich interessierte sich das Team dafür, wie die Teilnehmenden ihre eigene Gedächtnisleistung einschätzten, da dies zur Entscheidung für oder gegen Hilfsmittel beiträgt. 

Jeweils 44 Menschen zwischen 18 und 30 bzw. 65 und 84 Jahren nahmen an 20 Experimentdurchläufen teil. Die Aufgabe war es, Zahlen am Computer der Reihe nach in eine vorgegebene Richtung zu bewegen, wobei bestimmte Zahlen Ausnahmen bildeten und in eine andere Richtung zu bewegen waren – dies entsprach der prospektiven Gedächtnisaufgabe. Bei manchen Durchgängen waren externe Hilfen am Computer erlaubt.

Die Ergebnisse zeigten entsprechend früherer Forschung, dass ältere Teilnehmende nur bei Aufgaben mit hohen Informationsmengen schlechter abschnitten. Obwohl die Nutzung von Hilfsmitteln die Altersunterschiede verschwinden ließe, nutzten ältere Teilnehmende sie entgegen der Erwartung des Forschungsteams jedoch nicht im vollen Maße, um ihre Leistung zu verbessern. Sie verwendeten Hilfsmittel nämlich nicht öfter als jüngere Teilnehmende. Die Forschenden führten dies darauf zurück, dass die älteren Teilnehmenden ihre Gedächtnisleistung überschätzten, was sich auch in den Ergebnissen zeigte. Weiters ist es möglich, dass ältere Menschen zwar den Bedarf an Hilfsmittel erkannten, dies jedoch nicht in konkrete Handlungen umzusetzen wussten. Zuletzt ist denkbar, dass die Teilnehmenden die Aufgabe als Gedächtnistest verstanden, und diesen durch externe Hilfen nicht verfälschen wollten. Weitere Forschung ist also notwendig, um festzustellen, warum sich ältere Menschen bei schwierigen Aufgaben Hilfsmittel nicht genügend zunutze machen.

Die Studie zeigt, dass externe Hilfsmittel lohnend sind, um das Gedächtnis bei der Erinnerung und Ausführung von Plänen zu unterstützen. Voraussetzung dafür ist es aber, die eigene Gedächtnisleistung im Vorhinein realistisch abzuschätzen. Das Forschungsteam schlägt daher Maßnahmen vor, die Personen bei Bedarf in der realistischen Selbsteinschätzung schulen und zur Nutzung externer Hilfen anregen – und so ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben gewährleisten.

 

Scarampi, Chiara, & Gilbert, Sam J. (2021). Age differences in strategic reminder setting and the compensatory role of metacognition. Psychology and Aging, 36(2), 172–185. doi.org/10.1037/pag0000590

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