Wie wir das Gefühl haben, jung zu bleiben: Neue Strategien zur Aufrechterhaltung eines jungen Selbstkonzepts

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Zusammengefasst von Esther Liv Engelmann 

 

In einer Welt, die Jugend oft idealisiert und das Alter abwertet, versuchen viele Menschen, ein junges Selbstbild zu bewahren. Eine aktuelle Studie im „European Journal of Ageing“ beleuchtet, wie alternde Personen dies tun – entweder, indem sie sich selbst jünger fühlen, als sie sind, oder indem sie die Grenze dafür, wann jemand als "alt" gilt, immer weiter nach hinten verschieben. Diese Erkenntnisse helfen uns, besser zu verstehen, wie Menschen in einer Gesellschaft mit Altersdiskriminierung ihren Platz finden und sich selbst schützen.

Schon ab Mitte zwanzig beginnen die meisten Menschen, sich jünger zu fühlen, als ihr tatsächliches Alter es vorgibt. Dies wird nicht nur als Zeichen eines gesunden und positiven Alterungsprozesses gesehen, sondern auch als eine hilfreiche Strategie: Es erlaubt uns, uns von den oft negativen Vorstellungen und Klischees zu distanzieren, die mit dem Älterwerden verbunden sind. Indem man sich jung fühlt, unabhängig vom chronologischen Alter, schützt man das eigene Selbstkonzept. Eine weitere Möglichkeit, dieses junge Selbstbild zu bewahren, ist die Neudefinition dessen, was „alt sein“ eigentlich bedeutet – also die subjektive Altersschwelle immer höher zu setzen.

In der vorliegenden Studie mit über 700 Teilnehmenden zwischen 30 und 80 Jahren wurde untersucht, ob diese beiden Strategien – sich jünger fühlen (ein sogenannter assimilativer Prozess) und die Altersschwelle nach oben verschieben (ein akkommodativer Prozess) – besonders in jenen Lebensbereichen zum Tragen kommen, die für uns persönlich wichtig sind. Im Rahmen der Studie wurden die Teilnehmenden gebeten, ihr gefühltes Alter, ihre persönliche Altersgrenze und die Bedeutung verschiedener Lebensbereiche zu bewerten. Dabei richtete sich der Blick gezielt auf acht zentrale Lebensbereiche, die im Alltag vieler Menschen eine große Rolle spielen. Dazu zählten unter anderem die Familie und Partnerschaft, Freundschaften, Gesundheit und körperliche Fitness, aber auch Arbeit und Beruf, finanzielle Situation, Freizeitgestaltung und gesellschaftliches Engagement, Religion und Spiritualität sowie die eigene Persönlichkeit und Lebensweise.

Die Studie ging auch der Frage nach, ob unser chronologisches Alter dabei eine Rolle spielt, welche der beiden Strategien wir bevorzugen. Es wurde angenommen, dass jüngere Erwachsene eher versuchen, ihre jugendlichen Eigenschaften aktiv aufrechtzuerhalten, um sich jung zu fühlen (Assimilation). Ältere Erwachsene hingegen könnten stärker dazu neigen, die Definition des Alters anzupassen und die Altersschwelle zu verschieben (Akkommodation). 

Die Analyse zeigte, dass gefühltes Alter und Altersschwelle je nach Lebensbereich stark variieren. In Familie und Partnerschaft fühlten sich Menschen am jüngsten, im Arbeitsbereich war die Altersschwelle am niedrigsten. Je wichtiger eine Domäne, desto jünger fühlten sich die Teilnehmenden dort und desto höher setzten sie die Altersschwelle – vor allem Jüngere bis etwa 71 Jahre, die eine assimilative Strategie verfolgten. Ältere Erwachsene nutzten eher eine akkommodative Strategie, indem sie die Altersschwelle nach hinten verschoben, unabhängig von der Bedeutung des Bereichs. Gefühltes Alter und Altersschwelle hingen individuell kaum zusammen, was auf eine bevorzugte Nutzung jeweils einer Strategie hinweist.

Diese Ergebnisse zeigen, dass Menschen ihr junges Selbstbild gezielt in identitätsrelevanten Bereichen aufrechterhalten. Jüngere betonen jugendliche Eigenschaften, während Ältere das Alter neu definieren, um sich von negativen Stereotypen abzugrenzen und ihr Selbstbild zu wahren. Die Alterswahrnehmung ist also kein statisches Gefühl, sondern aktiv gestaltbar.

 

Rupprecht, F. S., de Paula Couto, M. C. P., Rothermund, K., & Nikitin, J. (2025). Maintaining a young self-concept: Feeling young or shifting age thresholds? European Journal of Ageing22(1), 15. https://doi.org/10.1007/s10433-025-00851-3